Schering Stiftung

Symposium 

Sparking Signals

Signaltransduktionsreaktionen im Körper

Sparking Signals

Signaltransduktionsreaktionen im Körper

Termin:

20.06.2007

Veranstaltungsort:

Potsdam-Hermannswerder
Hermannswerder
14473 Potsdam


Vom 20. bis 22. Juni 2007 trafen sich rund 50 international renommierte Wissenschaftler auf dem Gebiet der Kinasenforschung zu einem wissenschaftlichen Symposium der Schering Stiftung in Potsdam-Hermannswerder bei Berlin. Drei Tage lang diskutierten die Fachleute aus akademischer und industrieller Forschung die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet dieser wichtigen Gruppe von Enzymen, die an einer Vielzahl von molekularen Signalübertragungsreaktionen im Körper beteiligt sind.

Proteinkinasen regulieren viele Signaltransduktionsreaktionen im Körper. Sie übertragen dabei eine Phosphatgruppe von ATP, der universellen Form unmittelbar verfügbarer Energie in jeder Zelle, auf ein Zielmolekül und verändern somit, je nach Zielmolekül, dessen Enzymaktivität, dessen intrazelluläre Lokalisation oder das Zusammenwirken mit anderen Proteinen und Enzymen. Das menschliche Genom enthält insgesamt 518 verschiedene Kinasen, die eine derzeit noch nicht vollständig bekannte Anzahl von möglicherweise mehreren tausend Substratmolekülen beeinflussen.

Kinasen sind häufig in komplexen Proteinkomplexen aufzufinden. Man findet diese Enzymkomplexe u.a. an der intrazellulären Seite von Membranrezeptoren, wo sie für die Weiterleitung von Signalen in das Zellinnere verantwortlich sind. Darüber hinaus sind Kinasen an der Regulation von Prozessen an diversen Zellorganellen wie z. B. dem Golgi-Apparat beteiligt, im Zellkern schalten Kinasen bestimmte Gene an und ab. Eine wichtige Gruppe von Genen, deren Aktivität von Kinasen reguliert wird, sind Entzündungsmediatoren. Entzündungen, insbesondere chronische Entzündungen spielen bei diversen Erkrankungen, wie Rheuma, Asthma, Multiple Sklerose, Schuppenflechte oder Morbus Crohn eine zentrale Rolle. Auch Stoffwechselerkrankungen wie Typ2 Diabetes und bestimmte kardiovaskuläre Erkrankungen (z. B. Arteriosklerose) können nach neuesten Erkenntnissen einen entzündlichen Ursprung haben.

Wie funktioniert die Signalübertragung bei Entzündungsprozessen? Welche Mechanismen sind bei bestimmten Krankheiten wie Krebs oder chronisch entzündlichen Erkrankungen gestört? Welche Rolle spielen die Kinasen in diesen Entzündungsmechanismen? Schließlich, wie kann ihre Aktivität mit neuen therapeutischen Ansätzen gezielt moduliert werden? Diese Fragen beschäftigten die Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich, Großbritannien, der Schweiz und den USA auf dem Workshop.

Zu Beginn gab Professor Arthur Weiss, vom Howard Hughes Medical Institute der University of California in San Francisco, USA, einen Einblick in seine neueste Forschung an der Kinase ZAP-70, die mit dem T-Zell Rezeptor (TZR) assoziiert ist. Professor Weiss konnte die grundlegende Bedeutung von ZAP-70 für die korrekte Funktion des TCR nachweisen. Ist ZAP-70 durch eine Mutation nur fehlerhaft vorhanden, so ist, im Mausmodell, eine schwere Autoimmunerkrankung, die Rheuma ähnelt, die Folge. Interessanterweise zeigt sich für die Rolle von ZAP-70 in einer weit verbreiteten Form von Leukämie – der Chronisch Lymphatischen Leukämie (CLL) – eine umgekehrt positiv korrelierte Funktion. CLL-Patienten, denen ZAP-70 fehlt, können oft ohne Probleme 20-30 Jahre mit der Erkrankung leben, wohingegen Patienten mit ZAP-70 eine wesentlich schlechtere Prognose haben. „Als ich Anfang der 80er Jahre begann, mich für Signaltransduktionswege in Zellen zu interessieren, wusste man noch fast gar nichts über diese Prozesse“, erzählt Arthur Weiss, der zu den Pionieren auf dem Gebiet der Kinasenforschung gehört. „An der Außenseite werden die Zellen stimuliert und drinnen passiert dann was, so viel war klar. Aber im Prinzip handelte es sich um eine Black Box. Heute kennen wir die meisten Komponenten der Box. Was wir nun herausfinden müssen, ist, wie diese miteinander interagieren.“ Dann werde man auch verstehen, warum manche Enzyme, wie z.B. ZAP-70, einerseits für die korrekte Funktion (hier) von T-Zellen notwendig, aber unter bestimmten Bedingungen (wie im Fall von CLL) eher schädlich sein können, so der Professor aus Kalifornien.

Beispielhaft für die Doppelfunktion, die viele Kinasen einnehmen, war die von Magdalena Koziczak-Holbro, Wissenschaftlerin bei Novartis Pharma AG, Basel, Schweiz, vorgestellte Forschungsarbeit. Ihre Arbeitsgruppe widmet sich der Rolle der Kinase IRAK-4, die ein Teil des Rezeptorproteinkomplexes des Toll-like-Rezeptors (TLR) ist. Im Rahmen des TLR-Komplexes hat IRAK-4 neben der katalytischen Funktion des Enzyms auch strukturelle Aufgaben. Die Frage, die sich Koziczak-Holbro stellte, war, ob eine gezielte Ausschaltung von IRAK-4, für die Behandlung von chronisch entzündlichen Erkrankungen, wie beispielsweise Rheuma, angewandt werden könnte oder, ob die strukturelle Funktion der Kinase im Proteinkomplex derart essentiell sei, dass dieser ohne IRAK-4 nicht länger funktionsfähig wäre. „Sowohl im Mausmodell, als auch beim Menschen scheint eine gezielte Ausschaltung von IRAK-4 Entzündungsreaktionen zu hemmen. Wir konnten keine Entzündungssignale mehr feststellen“, erklärt Koziczak-Holbro. „Das gezielte Hemmen von IRAK-4 und TLR könnte somit eine Behandlungsmöglichkeit für chronisch entzündliche Erkrankungen wie Rheuma darstellen.“

Professor Kevan Shokat von der University of California Berkeley, Kalifornien, USA, stellte einen ganz neuen Ansatz zur Untersuchung der Funktion von Enzymen vor: „Chemical genetics“ nennt er seine Methode, die die gezielte genetische Veränderung von Enzymstrukturen mit der organischen Synthese dazu passender Zielmoleküle verbindet. „Bisher gab es zwei konventionelle Formen, die Funktion eines Proteins zu studieren: Knock-out Modelle, die ein Protein ganz ausschalten und somit auch mögliche strukturelle Funktionen vernichten, oder Inhibitoren, die möglicherweise auch andere Kinasen blockieren. Beide Ansätze bergen das Risiko, Reaktionen zu beobachten, die nicht direkt von der eigentlich untersuchten Kinase verursacht werden.“ erklärt Shokat. Der Vorteil von chemical genetics liegt in der Selektivität. Zunächst bewirkt Shokat eine gezielte Punktmutation. Im katalytischen Zentrum der Kinasen entsteht so eine kleine Tasche. Dann wird ein künstliches Inhibitormolekül erstellt, das genau in diese Tasche passt. „Die Methode ist hervorragend dazu geeignet, sämtliche Funktionen einer Kinase genau zu studieren. Man kann auch alle Zielsubstrate eines Enzyms auf diese Weise einfangen und untersuchen. Potentielle Kandidaten für die Entwicklung von neuen Medikamenten könnten so sicherer untersucht werden“, sagt Professor Shokat.

Während die Forscher auf der akademischen Seite noch versuchen, Kinasen und die von ihnen regulierten Reaktionen als Ganzes zu verstehen, so sucht man auf Seiten der Industrie schon ganz pragmatisch nach realen Komponenten für potentielle Medikamente. Der Fokus der angewandten Forschung liegt dabei im Bereich der chronisch entzündlichen Erkrankungen sowie Krebs. Dr. Gerard Drewes von der Heidelberger Biotech-Firma Cellzome stellte auf dem Potsdamer Symposium vor, wie man mithilfe von „quantitative chemical proteomics“, also einem quantitativ chemischen Protein-Screening, chemische Komponenten an einer großen Anzahl von Kinasen testen kann. Die chemischen Komponenten, die die Kinasen beeinflussen können, werden dazu auf kleinen Kügelchen, so genannten Kinobeads, immobilisiert. Die so behandelten Kügelchen werden dann in eine Zelllösung gegeben, wo sie die Kinasen, die mit den chemischen Komponenten interagieren, binden. Sie fischen, die Kinasen somit gezielt aus der Lösung heraus und erlauben es, diese im Folgenden genauer zu untersuchen. So wird anschließend ein Komponenten-Profil für einzelne Kinasen erstellt, mithilfe dessen Wirkstoffkandidaten für potentielle Medikamente identifiziert werden können.

Dr. Ulrich Zügel, Head of Small Molecules Research und Dr. Arne v. Bonin in der Therapeutic Research Group Inflammation und Immunology von Bayer Schering Pharma und Mitorganisatoren des Symposiums zeigten sich am Ende sehr zufrieden. „Die Stimmung auf dem Symposium war sehr gut, alle Teilnehmer waren äußerst motiviert und ein echter Dialog zwischen Wissenschaftlern aus der angewandten und jenen aus der akademischen Forschung fand statt. Wir denken, wir werden alle neue Ideen und Anregungen aus Potsdam mitnehmen.“ Professor Weiss stimmt dem zu. „Es ist sehr gut, wenn sich Akademiker und Forscher aus der Industrie gelegentlich treffen, um sich über ihre Arbeit auszutauschen. Denn beide haben sehr unterschiedliche Herangehensweisen. Die Akademiker sind kreativer in ihrer Fragestellung, sie suchen nach fundamentaleren Antworten, wohingegen die Leute aus der Industrie sehr viel zielgerichteter vorgehen und schneller Ergebnisse bekommen. Ein Austausch, wie auf diesem Symposium ist daher für beide Seiten lohnenswert.“

Die Ergebnisse des Symposiums werden beim Springer Verlag publiziert und sind im Buchhandel erhältlich. Die Reihe „Wissenschaftliche Symposien“ der Schering Stiftung wird vom 14. bis 16. November 2007 mit einem Workshop zum Thema „Oncogenes meet metabolism – from deregulated genes to a broader understanding of tumor physiology“ in Berlin fortgesetzt.

Glossar:

Humorale Immunantwort: (lat. humor = Flüssigkeit) die Antikörperproduktion der B-Lymphozyten. Sie ist Teil des adaptiven Immunsystems höherer Lebewesen, nicht Teil der angeborenen Immunantwort.

Antigene (engl. für Antibody generating): Stoffe, an die sich Antikörper und bestimmte Lymphozyten-Rezeptoren spezifisch binden können (die Bezeichnung davon, dass sie im Körper die Produktion von Antikörpern anregen können).

Chronische lymphatische Leukämie (CLL): ein niedrigmalignes, leukämisch verlaufendes B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom („B-NHL“). Sie ist in der westlichen Welt die am häufigsten vorkommende Leukämieform und tritt vor allem im höheren Lebensalter auf.

Knock-out-Modell (engl. K.O. – kaputt schlagen): ist ein Tiermodell, bei dem mittels einer genetischen Manipulation gezielt eines oder mehrere Gene deaktiviert wurden.

Makrophagen und neutrophile Granulozyten: Als Phagocyten sind sie Teil der angeborenen Immunabwehr und dienen der Identifizierung und Zerstörung von Mikroorganismen.

Proteomics: umfasst die Erforschung des Proteoms, d.h. der Gesamtheit aller in einer Zelle oder einem Lebewesen unter definierten Bedingungen und zu einem definierten Zeitpunkt vorliegenden Proteine.

Screening: ein auf bestimmte Kriterien ausgerichteter orientierender Siebtest

Toll-like-Rezeptor (TLR): Strukturen des so genannten angeborene Abwehrsystems. Sie gehören zu einer Gruppe von Rezeptoren, den PRRs (Pattern Recognition Receptors).

T-Zellen/T-Lymphozyten: für die Immunabwehr wichtige Gruppe von Blutzellen. Es handelt sich bei ihnen um eine Subpopulation der weißen Blutkörperchen (Leukozyten). T-Lymphozyten sind neben B-Lymphozyten an der adaptiven Immunantwort beteiligt.

T-Zell-Rezeptor (TZR): Rezeptormolekül, dass an der Oberfläche von T-Lymphozyten, kurz T-Zellen, für die Erkennung von Antigenen zuständig ist.

Dr. Arne von Bonin, Dr. Ulrich Zügel, CRBA Inflammation, Bayer Schering Pharma AG, Berlin, Germany
Prof. Dr. Gottfried Baier, Human Genetics Department, Medical University of Innsbruck
Prof. Dr. Burkhart Schraven, Institute for Immunology, University of Magdeburg

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