Schering Stiftung

Symposium 

Progesteron

neueste Erkenntnisse aus Forschung und Praxis

Progesteron

neueste Erkenntnisse aus Forschung und Praxis

Termin:

21.03.2007


Zur Auftaktveranstaltung der Reihe „Wissenschaftliche Symposien 2007“ trafen sich renommierte Forscher aus aller Welt zum Workshop „Progestins and the Mammary Gland – From Basic science to Clinical Applications“, um sich über die neuesten Ergebnisse aus der Progesteronforschung auszutauschen. Im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Diskurses von führenden Grundlagenforschern sowie Experten aus der klinischen und angewandten pharmazeutischen Forschung stand die Wirkung von Progesteron speziell an der Brustdrüse.

Progesteron ist ein Steroidhormon, das von der Nebenniere, vom Eierstock und von der Plazenta gebildet werden kann. Es ist das am häufigsten natürlich vorkommende Progestagen. Während in der ersten Phase des Menstruationszyklus‘ der Progesteronspiegel relativ gering ist, steigt er nach dem Eisprung in der zweiten Zyklusphase an. In der Schwangerschaft wird Progesteron in wesentlich höheren Mengen in der Plazenta produziert.

Die physiologische Aufgabe des Progesterons ist, die Schwangerschaft zu erhalten. In der sich anschließenden Laktationsphase sinkt der Progesteronspiegel deutlich ab. Auch nach der Menopause werden niedrige Progesteronspiegel gemessen. Sowohl Progesteron als auch synthetische Gestagene, die vor allem in der oralen Kontrazeption sowie in Kombinationspräparaten zur Behandlung von Wechseljahrbeschwerden eingesetzt werden, binden an den intrazellulären Progesteronrezeptor (PR). Bei dem Progesteronrezeptor handelt es sich um einen ligandenabhängigen Transkriptionsfaktor, der die Expression von Zielgenen gewebsspezifisch beeinflusst.

Professor Bert W. O’Malley vom Baylor College of Medicine in Houston, TX, USA, forscht seit 1965 auf dem Gebiet der Endokrinologie und zählt zu den Pionieren in der molekularbiologischen Grundlagenforschung. „In den letzten 40 Jahren haben wir viele neue Erkenntnisse über die Wirkung von Hormonen und die Zusammenhänge von Hormonen und Krebsentstehung gewonnen“, berichtete O’Malley. „Anfangs interessierten uns primär endokrine Signalwege und wie die Steroidhormone in den Target-Zellen agieren. Heute steht die Erforschung der Genexpression im Vordergrund.“ In seinem Vortrag „Coactivators ‚Master‘ Regulators of Genes“ referierte O’Malley über die Wechselwirkungen von Progesteronrezeptor und Steroidrezeptor-Coaktivatoren (SRC), die die Gentranskription in vivo regulieren.

Um aufzuklären, welche PR-SRC Interaktionen im Brustgewebe und im Uterus für die Vermittlung von Progesteronwirkung von Bedeutung sind, ist in seinem Labor eine transgene PR-Activity-Indikator-Maus (= PRAI-Maus) erzeugt worden. In der PRAI-Maus ist die DNA-Bindungsdomäne des PRs durch diejenige des Transkriptionsfaktors GAL4 ersetzt worden. Auf diese Weise kann Progesteronrezeptoraktivität in vivo über die Aktivierung des Luciferasegenes nachgewiesen werden, welches sich in diesem transgenen Ansatz unter der Kontrolle von GAL4-Bindungsstellen befindet. Verpaart man nun diese PRAI-Mäuse mit SRC-1- oder SRC-3-defizienten Mäusen, so stellt sich heraus, dass man im Uterus von SRC-1-defizienten PRAI-Mäusen keine PR-Aktivität mehr beobachten kann, wohl aber noch in der Brustdrüse. Im Falle SRC-3-defizienter PRAI-Mäuse ist die Progesteronrezeptoraktivität in der Brustdrüse verschwunden, im Uterus hingegen noch intakt. Mit Hilfe dieses genetischen Mausmodells konnte somit gezeigt werden, dass Progesteronwirkung in der Brustdrüse über eine Interaktion des PR mit dem Coactivator SRC-3 vermittelt wird, während im Uterus eine Interaktion des PR mit dem Coactivator SRC-1 essentiell ist.

„Mausmodelle sind sehr gut geeignet, um die molekularen Mechanismen und Signalwege, die in der Brustdrüse durch PR kontrolliert werden, zu verstehen“, erklärte Orla M. Conneely, Mitorganisatorin des Symposiums und Professorin am Baylor College of Medicine in Houston, TX, USA. Sie untersucht an Nagermodellen die Rolle des Progesteronrezeptors bei der normalen Entwicklung der Brust und bei malignen Brusterkrankungen. „Trotz der Unterschiede in der Hormonabhängigkeit der Tumorgenese zwischen Nager und Mensch sind vor allem die Signalwege beider Spezies sehr gut vergleichbar“, so Conneely. Die Professorin aus Texas interessiert sich besonders für die spezifische Rolle der beiden Progesteronrezeptorisoformen PR-A und PR-B im weiblichen Reproduktionstrakt.

Inwieweit die weiblichen Geschlechtshormone Progesteron und Östrogen die Funktion von normalen Zellen und von Krebszellen beeinflussen, untersucht Professorin Christine Clarke von der University of Sydney, Australien. Im Fokus ihrer Forschungsarbeit steht die Wirkung von Progesteron auf Tumore in der Brust und im Uterus. In ihrem Vortrag konnte sie zeigen, dass das Verhältnis von PR-A und PR-B in gesunden Brustgewebezellen ausbalanciert ist. In etwa 50% der Brusttumoren konnte sie ein Ungleichgewicht der PR-Expression zugunsten jeweils einer der beiden Isoformen feststellen.

Auch Professor Daniel Medina vom Baylor College of Medicine in Houston, TX, USA, erforscht die Wirkung von Steroidhormonen auf das Brustgewebe – im Besonderen die hormonelle Prävention vor Brustkrebs. Es ist bekannt, dass in etwa der Hälfte aller menschlichen Tumore das Tumorsuppressorgen p53 verändert ist. Es verliert durch Mutationen seine Fähigkeit, den Zellzyklus zu regulieren. Infolge startet eine unkontrollierte Teilung von Zellen mit schadhafter DNA. Da auch in Brustkrebszellen der p53-Tumorsuppressorweg gestört ist, forscht Medina mit einem Mausmodell, indem der Funktionsverlust von p53 simuliert wird. Er konnte zeigen, dass nach zweiwöchiger Hormonbehandlung junger Trp53-/–Mäuse mit Östrogen und/oder Progesteron die Tumorrate um bis zu 70 Prozent sank. Auch bei älteren Tieren wurde ein präventiver Effekt auf das Brustepithelium beobachtet. Durch die Hormonbehandlung der Mäuse wurde die Überexpression des HER2/neu-Onkogens und somit die Inzidenzrate für Brustkrebserkrankungen gesenkt. Inwieweit sich die Ergebnisse aus dem Mausmodell aufgrund der Unterschiede im Stroma, in das die Brustepithelzellen eingebettet sind, auf den Menschen übertragen lassen, werden zukünftige Untersuchungen zeigen.

Ausgehend von den molekularbiologischen Grundlagen der gewebsspezifischen Progesteronwirkung spannte das Symposium einen weiten Bogen bis hin zur Entwicklung von Progesteronrezeptorliganden, die die Darstellung von Brusttumoren mit neuen bildgebenden Verfahren ermöglichen. Professor John Katzenellenbogen von der University of Illinois, Urbana, IL, USA, stellte in seinem Vortrag neue PR-Liganden für die Tumordiagnostik mittels Positronenemissonstomographie (PET) vor. In der PET werden Radiopharmaka wie z.B. 18Fluorodeoxyglukose (18F-FDG) eingesetzt. Das Glukoseanalogon 18F-FDG wird wie normale Glukose in den Zellen zu 18F-FDG-6-phosphat phosphoryliert, jedoch nicht weiter verstoffwechselt. Das 18F-FDG-6-phosphat reichert sich besonders in Zellen an, die aufgrund eines hohen Energiebedarfs viel Glukose verarbeiten wie z.B. Gehirn-, Nieren- aber auch Krebszellen. Mit der PET kann sowohl die Verteilung des 18F-FDG-6-phosphat in verschiedenen Geweben des Körpers als auch deren Stoffwechselaktivität abgebildet werden. „Die PET ist im Unterschied zu anderen bildgebenden Verfahren hochsensitiv“, so Katzenellenbogen. „Bei entsprechendem Design der bildgebenden Agentien kann man vor allem in Zellen mit hoher metabolischer Aktivität, wie sie in malignen Tumoren auftritt, kleinste biochemische Veränderungen messen.“ Nach Einschätzung von Katzenellenbogen hat die Übernahme der Kosten durch die Krankenversicherungen dem FDG-imaging via PET in den USA den Weg in die onkologische Praxis geebnet. Sowohl die Entstehung aber auch der Therapieerfolg eines Tumors können mit dieser nicht invasiven Untersuchungsmethode sehr früh beurteilt werden, lange bevor man im Röntgenbild oder Computertomogramm einen Rückgang der Tumormasse erkennen kann.

Das erste wissenschaftliche Symposium der Schering Stiftung im Jahr 2007 blieb nicht bei der Bestandsaufnahme in der Progesteronforschung stehen, sondern knüpfte mit einem Vortrag über die Brustkrebsstammzellforschung an das letzte Symposium aus 2006 an. Dr. Robert Clarke von der University of Manchester, Großbritannien, und sein Team erforschen die hierarchischen Beziehungen von Zellen im Brustepithelium. Nach Einschätzung von Clarke sind Tumore ein hierarchisches System unterschiedlicher Zellen und keine einheitliche Zellpopulation, die auf eine spezielle Behandlung einheitlich anspricht. „Uns interessiert, wie Steroidhormone die Hierarchien der Zellen regulieren, denn sowohl bei der normalen Brustentwicklung als auch bei der Tumorgenese spielen Progesteron und Östrogen eine entscheidende Rolle“, sagte Clarke. „Ich werde für meine eigene Forschungsarbeit viele neue Erkenntnisse von diesem Symposium mitnehmen und hoffe, dass wir aus dem Blickwinkel der Stammzellforschung wiederum zur Entwicklung neuer Strategien und neuer Targets für die Brustkrebstherapie und -prävention beitragen können.“

Dr. Dr. Christiane Otto, CRBA Gynecology & Andrology – Female Healthcare, Bayer Schering Pharma AG, Berlin, Germany
Prof. Dr. Orla Conneely, Baylor College, Houston, TX, USA

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