Dr. Kathrin Schneider von Sanofi-Aventis Deutschland GmbH erhält den Schering Preis 2007 für ihre Forschungsarbeit über „Neuartige Naturstoffe für die Gesundheit des Menschen“.
Naturstoffe und deren Derivate sind als medizinisch angewendete Wirkstoffe auch heute noch von essenzieller Bedeutung für die Gesundheit des Menschen. Die aussichtsreichsten Wirkstoffquellen sind Bakterien und Pilze. Bei der Auffindung neuer Wirkstoffe, dem so genannten Screening, bedient man sich verschiedener Strategien. Im Rahmen dieser Arbeit wurden unter Verwendung des klassischen chemischen Screenings einerseits und durch moderne genomische Ansätze andererseits neuartige Naturstoffe mit interessanter biologischer Aktivität identifiziert.
Dem ersten Teil dieser Arbeit lag das chemische Screening zugrunde. Dazu wurden unter Anleitung von Professor Dr. Hans-Peter Fiedler von der Universität Tübingen Bakterienstämme in verschiedenen Medien fermentiert, UV-spektroskopisch untersucht und mit internen UV-Datenbanken abgeglichen. Basierend auf diesem Screening-Ansatz wurden die Proximicine A, B und C aus dem marinen Actinomyceten Verrucosispora isoliert und deren Strukturen mit Hilfe der Massenspektrometrie und der NMR-Spektroskopie aufgeklärt.
Das wichtigste Strukturmerkmal der Proximicine ist das Dipeptid einer bisher unbekannten γ-Aminosäure, der 4-Amino-furan-2-carbonsäure. Die strukturell verwandten und äußerst prominenten Naturstoffe Netropsin und Distamycin sind für ihre Eigenschaft, selektiv an AT-reiche Sequenzen in der kleinen Furche der DNA zu binden, bekannt. Die Proximicine zeigten trotz einer hohen Strukturanalogie keine Wechselwirkung mit DNA. Deshalb wurde mit Hilfe von synthetischen Netropsin-Proximicin-Hybriden versucht, einen Zusammenhang zwischen den Strukturen und der biologischen Wirkung herzustellen. Es zeigte sich, dass die Proximicine eine signifikant höhere Antitumoraktivität als Netropsin und Distamycin aufweisen. In Zellzyklusanalysen konnte eine Hochregulation von p53, einem bekannten Tumorsuppressorprotein, nachgewiesen werden. Weiterführende Untersuchungen des Wirkmechanismus der Proximicine werden derzeit durchgeführt.
Im zweiten Teil der Arbeit wurde ein genomischer Ansatz zum Auffinden neuer Wirkstrukturen gewählt. Bei der Sequenzierung des Gesamtgenoms des phytostimulatorischen Bazillus amyloliquefaciens FZB42 durch Professor Dr. Rainer Borriss von der Humboldt Universität Berlin zeigte sich, dass 8,5 % des Genoms für die Synthese von Sekundärmetaboliten verwendet werden. Ziel war es, drei Polyketidsynthase(PKS)-Biosyntheseprodukte zu identifizieren und sie den entsprechenden Biosynthesegenclustern zuzuordnen, da wenig über die Produktion von Polyketiden der Gattung Bazillus und deren Biosynthese bekannt war. Mit Hilfe von massenspektrometrischen Untersuchungen des Wildtyps und von Mutanten konnten die Polyketide Bacillaen, Macrolactin und Difficidin den entsprechenden Biosynthesegenclustern zugeordnet werden. Durch Fütterungsexperimente konnte die Biosynthese der Macrolactine aufgeklärt werden. Die Naturstofffamilie der Macrolactine ist besonders im Hinblick auf ihre antibakterielle Aktivität gegen Methicillin-resistente Staphylococcus aureus und Vancomycin-resistente Enterokokken interessant. Außerdem wurde ein Screening von weiteren Bazillus-Stämmen auf ihre Polyketidproduktion hin durchgeführt und es zeigte sich, dass die Produktion dieser Polyketide im Bazillus viel weiter verbreitet ist als bisher angenommen.
Durch die erzielten Ergebnisse kann nun der phytostimulatorische Effekt von Bazillus amyloliquefaciens FZB42 genauer untersucht werden, was für den Einsatz der entsprechenden Stämme als Biodünger und bioprotektives Agens von großer Bedeutung ist. Darüber hinaus zeigt Bazillus amyloliquefaciens FZB42 eine vielversprechende Wirkung gegen den Feuerbrand, welche nun ebenfalls im Detail untersucht werden kann.
24.10.2017, 16–18 Uhr
Schering Preis 2007 und Bohlmann Vorlesung 2008
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